Autor: Lena Felde (Seite 1 von 2)
Von Joachim Ziefle
Zum Wochenende 5. – 7. Mai 2023 war die TKO Roma Art Academy e. V. zu Gast in der Melanchthon-Akademie. Mit Workshops, Vorträgen, einem Konzert und einer Podiumsdiskussion luden die Veranstalter dazu ein, mehr von der Kunst und Kultur der Roma zu erfahren und zu erleben. Junge Menschen aus der Roma-Community haben an den Theaterworkshops teilgenommen, eine interessierte breite Öffentlichkeit folgte den Diskussionen und Vorträgen. Vortragende, Künstler und Workshopleitende stammen aus Mazedonien, Kroatien, Rumänien und Deutschland.
Ziel des Projektwochenendes war und ist es, einen grundlegenden Perspektivenwechsel in der deutschen Gesellschaft einzufordern – wenn es um die Community der Roma geht – und eine verbesserte gesellschaftliche Teilhabe für die größte Minderheit Europas anzumahnen.
Mit folgendem Link können Sie in einer Zusammenfassung der Deutschen Welle Fernsehen die besondere Stimmung des Wochenendes „die Macht der Roma Künste“ erspüren – auch wenn der Bericht nicht in deutscher Sprache erscheint.
7 Tage Leuchten – Unverzagte Frauen
Die Pazifistinnen von 1915.
Von Dorothee Schaper
In Anlehnung an die diesjährige Fastenaktion „Leuchten! 7 Wochen ohne Verzagtheit“, stellen wir in der Karwoche bis Ostern unverzagte Frauen vor. Diese historischen Frauen verbindet ihr Einsatz für den Frieden und die Verbindung dieses Ziels mit der Frauenbewegung.
Wir organisieren uns! 1915 in Den Haag! Wir fordern Frieden!
Beim internationalen Frauenfriedenskongress in Den Haag beschließen wir mit 1136 Frauen aus 12 europäischen Ländern:
Wir Frauen aus vielen Ländern,
zum internationalen Kongresse versammelt, erklären hierdurch über allen Hass und Hader hinaus, der jetzt die Welt erfüllt, uns in der gemeinsamen Lieb zu den Idealen der Gesittung und Kultur verbunden zu fühlen, auch, wo unsere Ziele auseinandergehen.
Wir erklären feierlich,
jeder Neigung zu Feindschaft und Rache zu widerstehen, dagegen alles Mögliche zu tun, um gegenseitiges Verständnis und guten Willen zwischen den Nationen herzustellen und für die Wiederversöhnung der Völker zu wirken.
Wir erklären:
Der Lehrsatz, Kriege seien nicht zu vermeiden, ist sowohl eine Verneinung der Souveränität des Verstandes als ein Verrat der tiefsten Triebe des menschlichen Herzens. Von der innigsten Teilnahme beseelt für die Leidenden, Trostlosen und Unterdrückten, fordern wir, Mitglieder dieses Kongresses, die Frauen aller Nationen feierlichst auf, für ihre eigene Befreiung zu arbeiten und unaufhörlich für einen gerechten und dauernden Frieden zu wirken.
Ich bin Aletta Henriette Jakobs.
Am 9. Februar 1854 werde ich in Sappemeer in eine große jüdische Familie hineingeboren. Ich werde die erste Frau in den Niederlanden, die auf eine weiterführende Schule gehen darf, danach bin ich die erste Studentin in Utrecht und promoviere in Groningen.
Neben meinem Arztberuf wird mir der Kampf für das Frauenwahlrecht und für eine pazifistische Haltung innerhalb der Frauenbewegung wichtig. So ergibt es sich, dass ich zusammen mit Jane Adams den Internationalen Frauenfriedenskongress 1915 in Den Haag vordenke. Gemeinsam fahren wir nach dem Kongress in die USA und haben die Gelegenheit, mit Präsident Wilson sprechen zu können, so wie wir es in Den Haag mit 1136 Frauen aus 12 europäischen Ländern beschlossen haben. Bei den anschließenden Friedensverhandlungen kann man deutlich die Handschrift unseres 20 Punkteplans erkennen.
Ich bin Rosa Manus.
Ich werde 1881 in Amsterdam in eine wohlhabende liberale jüdische Familie geboren. „Anständige großbürgerliche Frauen arbeiten nicht für Geld, sondern wirken bei Wohltätigkeitsveranstaltungen mit!“, sagt mein Vater. Das ist hart für mich. Aber ich nutze mein Organisationstalent in der Frauenbewegung. 1913 hänge ich mich mit ganzer Kraft in die Organisation des Internationalen Frauenfriedenskongresses 1915 in Den Haag. Ich bin keine Frontfrau, ich bin gerne Assistentin und Vizepräsidentin. Ich bin nicht die Stimme der Frauenbewegung, aber ich organisiere sie gerne. Außerdem reise ich gerne und bin abenteuerlustig. Bis nach Südamerika, nach Palästina, Syrien und Ägypten schaffe ich es zu kommen – und zwar ohne Mann!
1941 werde ich von den Nazibesetzern in den Niederlanden verhaftet. Sie werfen mir pazifistische und kommunistische Interessen vor…. und dann bin ich auch noch Jüdin! Nach drei Monaten Gefängnis in Scheveningen befinde ich mich auf dem Transport ins Konzentrationslager nach Ravensbrück. Am 29. Mai bringen mich die Nazis um.
Meine lieben Hinterbliebenen haben mir einen Grabstein eingerichtet, obwohl ich ja gar kein eigenes Grab habe. Dort erinnern sie sich an mich. Auf meinem Grabstein steht:
„Rosa Manus hat ihr Organisationstalent und ihre Menschenkenntnis, ihre Energie und ihr Vermögen darauf verwendet, Frauen voranzubringen.“
Sie haben recht! Und ich habe es gerne getan!
Ich bin Lida Gustava Heymann.
Am 15. März 1868 werde ich als dritte Tochter in Hamburg in eine wohlhabende Familie geboren.
1896 fahre ich zum internationalen Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen nach Berlin. Das ist ein großartiges Ereignis! So viele interessante Frauen, die alle etwas verändern wollen. Prompt lerne ich Anita Augspurg kennen. Sie ist eine großartige Frau, mit der ich zukünftig mein Leben teilen werde, über 40 Jahre, bis dass der Tod uns scheidet.
1902 gründen wir gemeinsam mit anderen den „Deutschen Verein für Frauenstimmrecht“ und schließen uns 1904 der internationalen Frauenbewegung an. Wir verorten uns in der radikal pazifistischen Gruppe innerhalb der Frauenbewegung. Krieg ist für mich „das größte Verbrechen und der Kulminationspunkt männlicher Raff- und Zerstörungswut!“ Gemeinsam fahren wir 1915 zum Frauenfriedenskongress nach Den Haag. Wir brauchen einen internationalen Ausschuss für einen dauerhaften Frieden!
Ich formuliere im Aufruf für den Kongress in Den Haag: „Frauen Europas, wann erschallt Euer Ruf? Wo bleibt Eure Stimme? Seid Ihr nur groß im Dulden und im Leiden? Versucht dem Rad der Zeit menschlich mutig und stark in die Speichen zu greifen!“ Daraufhin steht die Polizei vor unserer Tür und durchsucht unsere Wohnung. Aber das Flugblatt war glücklicherweise schon verschickt und verteilt. Erst 1917 verweisen uns die Bayern wegen “unpatriotischer Umtriebe” des Landes. Wir verlieren alles und leben nun bescheiden in der Schweiz.
Ich bin Anita Augspurg.
Ich werde im September 1857 in Verden an der Aller in eine liberale Familie geboren. Heiraten möchte ich nicht. Das weiß ich schon früh. Deshalb gehe ich so bald wie möglich nach Berlin in das Lehrerinnenseminar. Auf der internationalen Frauenkonferenz in Berlin lerne ich Lida Gustava Heymann kennen, wie großartig! Mit ihr werde ich ab jetzt durch dick und dünn gehen, bis dass der Tod uns scheidet! Gemeinsam eröffnen wir ein Fotoatelier in München. Wir tragen beide einen Kurzhaarschnitt, reiten und fahren Fahrrad. Die Leute gucken hinter uns her, manche werfen uns unerhörtes Auftreten vor, aber das stört uns nicht.
Im Juni 1908 fahren Lida und ich nach London zum Protestmarsch der Suffragetten. Wir ziehen mit 750.000 Frauen für Wahl- und Selbstbestimmungsrecht durch die Straßen Londons und gewinnen Freundinnen in Frankreich, England, Amerika und Ungarn. Das fühlt sich gut an.
1915 fahren wir zusammen nach Den Haag. Der internationale pazifistische Geist der Konferenz bestärkt uns darin, unseren Weg weiterzugehen.
1923 ziehen in München nationalistisch eingestellte marodierende Banden von gewaltbereiten jungen Männern durch die Straßen und stören Versammlungen von fortschrittlichen international eingestellten Vereinen. Sie nennen sich Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei – ein gewisser Adolf Hitler aus Österreich hetzt sie auf. Sie stürmen auch in die Versammlung unserer Frauenliga für Frieden und Freiheit. Wir fordern eine klare Position des Innenministers gegen diese Vorkommnisse der Nationalsozialisten! Wir fordern die Ausweisung dieses Hitlers aus Bayern – aber in Gesprächen mit dem Innenminister lehnt er ab. Seitdem stehen Lida und ich auf der Liquidationsliste der NSDAP.
60 Jahre später erscheint ein Buch über uns: „Die Rebellion ist eine Frau!“ Das ist ein schöner Titel! Sie schreiben, wir wären zwei der mutigsten Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts….Dabei haben wir doch einfach nur getan, was wir tun mussten.
Ich bin Hedwig Dohm (geb. Schlesinger).
1831 werde ich in Berlin geboren. Ich habe 10 Brüder und sieben Schwestern. Dass meine Brüder bessere Bildungschancen bekommen als wir Schwestern, stört mich noch heute.
Im Alter von 40 Jahren bin ich 18 Jahre mit Ernst Dohm, dem Redakteur des Satiremagazins Kladderadatsch, verheiratet und habe in Berlin vier Kinder großgezogen. Endlich kann ich mich der Frauenfrage widmen.
„Ich bin des Glaubens, dass die eigentliche Geschichte der Menschheit erst beginnt, wenn der letzte Sklave befreit ist, wenn das Privilegium der Männer auf Bildung und Erwerb abgeschafft, wenn die Frauen aufhören, eine unterworfenen Menschenklasse zu sein.“
Die Sklaverei der Schwarzen, der Antisemitismus und die Frauenunterdrückung sind für mich Ausdruck ein und desselben schändlichen Prinzips: der Abwertung des Anderen. So müssen wir das meines Erachtens in Abhängigkeit voneinander begreifen und bekämpfen!
Aber dem gemäßigten Flügel der Frauenbewegung sind meine Ideen viel zu radikal. Ich fühle mich sehr verstanden, als ich in Minna Cauer, Lida Heymann und Anita Augspurg als gleichgesinnte Gesprächspartnerinnen finde, mit denen ich diese weitreichende Analyse teile. Wir gründen den Verband fortschrittlicher Frauenvereine.
1915 fahren meine Schwestern im Geiste nach Den Haag zum Frauenkongress. Am liebsten wäre ich mitgefahren, aber mit 84 Jahren schaffe ich das nicht mehr. Aber bevor ich im Juli 1919 sterben werde, werde ich noch erleben, wie der Rat der Volksbeauftragten im November 1918 das Wahlrecht für Frauen verkündet. Dieser Kampf hat sich gelohnt!
Ich bin Clara Haber (geb. Immerwahr) aus Breslau.
Es ist der 3. Mai 1915. Gestern Nacht habe ich mich erschossen – im Garten unserer Dienstvilla in Berlin Dahlem. Mein Mann hatte vorher mit seinen Kollegen den Sieg über die Schlacht bei Ypern in unserem Haus gefeiert. Als sie alle weg waren, habe ich meine letzten Briefe geschrieben, die Dienstwaffe meines Mannes genommen, bin in den Garten gegangen und habe mich erschossen.
Ich bin Chemikerin und die erste Frau, die in Deutschland in Chemie promoviert hat. Gemeinsam mit meinem Mann Fritz Haber habe ich an der Herstellung von Ammoniak geforscht. Ich habe gehofft, einen Kunstdünger zu erschaffen, der das Hungerproblem in der Welt löst.
Mein Mann hat weiter geforscht und das Chlorgas entdeckt. Im letzten Herbst hat er sich in die Armee einberufen lassen und seitdem erforscht er den Einsatz von Giftgas für den Krieg. Am 22. April haben sie den ersten Giftgasangriff in Ypern (Belgien) in der Geschichte verübt. Mit 150 Tonnen Chlorgas haben sie über zehntausend Menschen umgebracht: Soldaten und zivile Frauen, Männer und Kinder. Ich kann es nicht fassen, dass er seine Fähigkeiten in den Dienst des Massenmordes stellt! Ich konnte nicht anders als öffentlich zu sagen, dass dieses Unternehmen für mich die Perversion der Wissenschaft und ein Zeichen der Barbarei ist.
Ich bin Anna Ediger, geborene Goldschmidt, und wurde 1831 in eine kunstliebende, intellektuelle jüdische Familie in Frankfurt geboren.
Seit 1893 gehöre ich dem Frankfurter Friedensverein an. Ich gehöre zum Bund der deutschen Frauenvereine. Ich war fest entschlossen nach Den Haag zu fahren und das habe ich auch gemacht!
Den Haag war ein großartiges Erlebnis! So viele kluge Frauen aus so vielen verschiedenen Ländern. Diese Verbundenheit und diese Gewissheit, dass Verständigung ohne Gewalt möglich ist – das kann uns keiner mehr nehmen. Ich habe einen Bericht über unseren Kongress geschrieben. Helene Lange vom Bund der deutschen Frauenvereine wollte diesen noch nicht einmal in ihrer Zeitschrift abdrucken! Das kann ich nicht nachvollziehen.
Den Haag hat mich in meiner Auseinandersetzung weitergebracht. Ich halte es jetzt für noch wichtiger, dass wir in wichtigen Fragen nicht im Rahmen einer Nation denken, sondern uns international verständigen. Das ist uns in Den Haag gelungen, während sich die Männer der verschiedenen Nationen in verfeindeten Schützengräben gegenüber lagen und Angst um ihr Leben hatten. Ich bereue nichts.
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Info zum Frauenfriedenskongress 1915
Vom 28.-30. April 1915 kommen in Den Haag 1136 Frauen aus 12 europäischen Ländern von Schweden bis Ungarn sowie aus den USA und Kanada zusammen. Die meisten Teilnehmerinnen sind Holländerinnen. 180 Pazifistinnen aus England und Irland wurden die Pässe entzogen und somit die Ausreise verweigert. Auch den Französinnen wird die Ausreise verweigert. Aus Deutschland kommen 28 Frauen vom radikalen Flügel der Frauenbewegung. Der nationalgesinnte Flügel der deutschen Frauenbewegung mit Gertrud Bäumer an der Spitze teilt mit, dass „der Besuch des Kongresses den nationalen Verpflichtungen der deutschen Frauen entschieden widerspreche.“
Aus dem Frauenkongress entwickelt sich der internationale Ausschuss für dauernden Frieden, der 1919 in Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, die es bis heute gibt. Jane Adams, die Präsidentin des Kongresses, bekommt 1931 den Friedensnobelpreis verliehen. Ein weiterer internationaler Frauenfriedenskongress wird 1919 in Zürich abgehalten. Nach dem Kongress reisen zwei Delegationen durch Europa und führen dabei Gespräche mit Vertretern von 13 Regierungen.
„Frauen Europas, wann erschallt euer Ruf? Wo bleibt Eure Stimme? Seid Ihr nur groß im Dulden und im Leiden? Versucht zum mindestens, dem Rad der Zeit, menschlich mutig und stark würdig eures Geschlechtes in die bluttriefenden Speichen zu greifen!“
Mit diesem flammende Aufruf werden Frauen aller Länder nach Den Haag eingeladen.
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Am Ende des Kongresses beschließen die Frauen eine gemeinsame Erklärung, mit der sie sich an die kriegsbeteiligten Regierungen wenden werden. Daraus ein paar Auszüge:
1. PROTEST: Wir protestieren gegen den Wahnsinn und den Gräuel des Krieges, der nutzlos Menschenopfer fordert und vierhundertjährige Kulturarbeit der Menschen zerstört.
2. LEIDEN DER FRAUEN IM KRIEG: Wir protestieren aufs Entschiedenste gegen das furchtbare Unrecht, dem Frauen in Kriegszeiten ausgesetzt sind und besonders gegen die entsetzlichen Vergewaltigungen von Frauen, welches die Begleiterscheinungen eines jeden Krieges sind.
3. FRIEDENSSCHLUSS: Wir Frauen der verschiedensten Nationen, Klassen, Parteien und Glaubensrichtungen sind uns einig im Ausdruck warmen Mitgefühls mit den Leiden Aller, die unter der Last des Krieges leiden.
11. INTERNATIONALE ORGANISATION: Dieser Internationale Frauenkongress fordert die Organisation einer Vereinigung der Nationen auf der Grundlage aufbauenden Friedens gestaltet werde. An dieser Organisation sollen auch Frauen teilnehmen.
15. DIE FRAUEN IN DER POLITIK: Dieser internationale Frauenkongress fordert, dass die Frauen alle bürgerlichen und politischen Rechte und Verantwortungen unter gleichen Bedingungen tragen sollen wie die Männer.
16. DIE KINDERERZIEHUNG : Dieser internationale Frauenkongress betont die Notwendigkeit, die Erziehung der Kinder so zu leiten, dass ihr Denken und Wünschen auf das Ideal aufbauenden Friedens gerichtet wird.
20. DEPUTATIONEN ZU DEN REGIERUNGEN: Um die Regierungen der Welt zu veranlassen, dem Blutvergießen ein Ende machen und einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schließen, entsendet dieser Frauenkongress Deputationen, welche die in den Resolutionen niedergelegte Botschaft den Oberhäuptern der kriegführenden und neutralen Staaten Europas und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Nordamerikas überbringen sollen.
Von Januar – März 2023 haben wir folgende Aktion zum #waermewinter geplant: Wir vergeben kostenlose Co-Working Plätze in unserer Akademie!
Nach Anmeldung unter coworking@melanchthon-akademie.de stehen Euch und Ihnen in 3 Räumen je 3-4 Arbeitsplätze von 9-13 Uhr zur Verfügung.
Kaffee, Tee und eine inspirierende Umgebung gibt es auch.
Gedacht ist die Aktion besonders für Menschen, die in diesem #waermewinter in einer beheizten Umgebung arbeiten wollen. Melde Dich/ melden Sie sich gerne und erzähle/n Sie Freund:innen davon, für die diese Aktion interessant sein könnte.
Wichtig ist: Es sind begrenzte Plätze nach Anmeldung verfügbar, auf die kein rechtlicher Anspruch besteht. Weiterhin gilt das Hausrecht der Melanchthon-Akademie.
Wir freuen uns, von Euch und Ihnen zu hören!
Als evangelische Pfarrerin in Köln und langjährige Wegbegleiterin des Moscheebaus an der Venloerstraße möchte ich am Freitag, den 14.10.2022, dabei sein, wenn der Ruf zum Gebet an der Zentralmoschee zum ersten Mal in diesem Rahmen im öffentlichen Raum ausgerufen wird. Wie wird es klingen? Wie wird sich der neue Sound in das Konzert der Klänge von Autolärm, Glockengeläut, Kinderstimmen, Fahrradklingeln etc. an der Venloerstraße einfügen? Wer wird dort sein? Wer wird seine Stimme erheben? Um 13.20h stehe ich an der Moschee.
Schaue ich zur rechten Seite der Straße, sehe ich muslimische Frauen und Männer in Erwartung des Freitagsgebets die Freitreppe zur Moschee hinaufgehen. Ob sie sich freuen, dass ihre Religion in dieser Stadt nicht nur sichtbar, sondern zur Gebetszeit auch hörbar ist? Ob sie sich als Kölner:innen an diesem Tag auch an die verpatzte Eröffnung der Moschee oder an die rechtsgerichteten Proteste gegen die Moschee hier auf der Straße erinnern? Viele von ihnen scheinen mir zu jung für diese Erinnerung.
Schaue ich zur linken Seite der Straße, sehe und höre ich ein Gruppe von Protestierenden: ‚Frauen Leben Freiheit‘ – der Slogan, der in diesen Tagen besonders im Iran, aber auch weltweit in Solidarität mit den Protestierenden im Iran skandiert wird. Frauen mit iranischer Herkunft und solidarische Begleiter:innen haben sich in Position gebracht, um auf den mutigen Kampf der Frauen für Freiheit und Gerechtigkeit im Iran aufmerksam zu machen. Ob sie den Ort ihres Protestes gewählt haben, weil sie wissen, dass viel Presse zugegen sein wird? Oder brauchen sie einfach irgendeinen muslimischen Adressaten für ihre Kritik und da es in Köln nur eine sehr kleine schiitische Moschee gibt, haben sie sich lieber für die sichtbarste und größte Moschee entschlossen?
Ich befinde mich auf dem Bürgersteig im Dazwischen, die Zwischenräume im öffentlichen Raum scheinen besonders geeignet, um die Errungenschaften einer offenen Gesellschaft zu erkunden. In diesem Moment wird der Bürgersteig an der Venloerstraße, an dem ich mich befinde, zu einem besonderem Erfahrungsraum zwischen der Freiheit von Religion bzw. der Trennung von Staat und Religion und der Freiheit zur Religion. Wer wird zu Gehör kommen? Welche Stimmen werden wie laut zu hören sein?
Ich weiß es zu schätzen, dass in diesem säkularen Rechtsstaat die verschiedenen Stimmen, sowohl die religiösen als auch die säkularen, sowohl die Frauen als auch die Männer im öffentlichen Raum gleichberechtigt hörbar sind, ihren Platz haben und staatlicherseits geschützt werden – weltweit leider immer noch nicht selbstverständlich. Ich bin erleichtert, dass am heutigen Tag nicht wie in zurückliegenden Jahren die rechtsradikalen und rechtspopulistischen Gruppen und Parteien das Bild des Protestes bestimmen. Jedenfalls kann ich keine rechten Sprüche hören oder Plakate sehen. Haben wir doch in den vergangenen Jahren zu Genüge gegen dieses Szenario auf der Venloerstraße vor der Moschee für die Moschee gestanden.
…und dann wird es 13.24h – die angekündigte Zeit zum Gebetsruf. Ich stehe direkt vor dem Treppenaufgang zur Moschee und höre ihn leise, den Ezan, den Ruf zum Gebet und das Bekenntnis zu dem einen Gott und Mohamed, seinem Propheten. Er fädelt sich relativ unaufgeregt in die Klangwelt und Geräuschkulisse der Straße ein und ist nach wenigen Minuten wieder verklungen. Man muss bewusst lauschen, um ihn in der Vielstimmigkeit der Straßenecke herauszuhören. Es bestätigt mich in der Einschätzung, dass die Kritik an der Abhängigkeit der DITIB vom türkischen Ministerium für Religionsangelegenheiten einen anderen Anlass und Zeitraum braucht als diese drei Minuten öffentlicher Gebetsruf unter 60 Dezibel. Auf jeden Fall ist der Autolärm und die entschlossenen Rufe der Frauen: ‚Frauen, Leben, Freiheit‘, die die Gewalt und Brutalität der islamischen Republik Iran nicht mehr ertragen, deutlich lauter. Auf den Autolärm und Ressourcenverbrauch, der ihn verursacht, kann unsere Gesellschaft gut und gerne verzichten – auf die Stimmen, die ein deutliches NEIN gegen den Machtmissbrauch durch die Verquickung von Staat und Religion/Ideologie setzen und sich für eine offene, diverse Gesellschaft einsetzen allerdings auf keinen Fall, in diesen Zeiten, in denen demokratische Strukturen von despotischen Kräften und Mächten bedroht werden. Wir brauchen sie alle, die diversen und kontroversen Stimmen, die eine Demokratie stark machen und demokratisches Tun unterstützen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass die Polyphonie der Säkularen und Gläubigen, der Einheimischen und Eingewanderten, der Glocken und Gebetsrufer, Kopftuch- und Kippaträger:innen weiterhin sichtbar und hörbar ist und diese Gesellschaft und Stadt mit ihren religiösen und säkularen Räume prägen werden und sich die Bürger:innen unserer Gesellschaft an dieser Vielstimmigkeit erfreuen und in diesen Zeiten für sie wehrhaft einstehen. Dorothee Schaper
Lass uns reden I #61
Die Melanchthon-Akademie engagiert sich unter anderem für eine „Bildung für alle“. Hier erzählt der Leiter, Dr. Martin Bock, wie dieses Ziel Realität werden kann, von Bildungsangeboten zwischen „Himmel und Erde“, wie es zur Namensgebung kam und was diese letztlich mit dem Bildungsauftrag zu tun hat.