Foto: APK/Canva

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Text: Jil Blume-Amosu für „Himmel & Erde“ /APK

Ein Fenster im Kölner Dom zeigt jüdische Figuren aus der Bibel – und zwar so, wie sie auch die Nazis im Dritten Reich gesehen haben: als finstere Fratzen mit Hakennase. An anderer Stelle im Dom hängt ein Steinrelief. Es zeigt Juden, die an den Zitzen einer Sau hängen. Diese „Judensau“ und andere antijüdische Bilder sind leider keine Einzelfälle. Man findet sie bis heute in vielen evangelischen und katholischen Kirchen bundesweit.

Die meisten dieser verletzenden Kunstwerke stehen oder hängen dort schon seit vielen Hundert Jahren. Ein Grund mehr, sich mit ihnen zu beschäftigen, meint Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchton Akademie in Köln: „Ich glaube, dass die jüdischen Gemeinden, mit denen wir in unseren Städten zusammenwohnen, von uns sehr, sehr erwarten, dass wir uns konkret mit dem christlichen Antijudaismus, mit unserer eigenen Geschichte auseinandersetzen.“

Martin Bock ist deshalb froh, dass die drei evangelischen Landeskirchen in NRW und die fünf katholischen Bistümer im Land das Thema jetzt aufgegriffen haben. Auf 40 Seiten haben sie im März Leitlinien herausgegeben, wie Gemeinden antijüdische Darstellungen in ihren Kirchen erkennen und wie sie mit ihnen umgehen können. Sie wollen damit „sozusagen eine Sehhilfe schaffen und dann aber die Gemeinde nicht mit Entscheidungen konfrontieren, sondern sagen: Was wollt ihr jetzt damit machen? Wollt ihr das aus den Kirchen rausholen? Wollt ihr es kommentieren? Wollt ihr es verhüllen? Wollt ihr es ergänzen durch eine neue zeitgenössische Darstellung?“

Für welche davon man sich letztlich entscheidet, ist zweitrangig, meint Dr. Martin Bock. Viel wichtiger ist, dass sich die Kirchen jetzt endlich um dieses lange totgeschwiegene Thema kümmern: „Damit wir dem Antisemitismus in unseren eigenen Reihen was entgegensetzen. Denn Antisemitismus findet nicht nur auf der Straße statt, ist kein Problem von anderen, sondern es ist unser eigenes Thema.“

Das anzupacken und aufzuarbeiten, wird ein langer Weg, der sich aber lohnt, sagt Martin Bock: „Das ist wirklich keine Sache, die man nebenbei machen kann, dazu muss man sich entschließen, als Gemeinde, als Kirchenkreis, und dann wird man auf jeden Fall Mitstreiter finden. Man wird aber auch Gegner haben. Aber um unseren jüdischen Mitmenschen in unserer Gesellschaft eine würdige Lebensperspektive zu schaffen, bin ich wirklich über diese Leitlinien dankbar. Das ist ein wichtiger Step.“

Der Original-Radiobeitrag ist bei „Himmel und Erde“ erschienen, dem Magazin der Kirchen in den NRW-Lokalradios. Sie finden ihn hier.

Das knapp 40 Seiten starke PDF-Dokument kann man hier herunterladen.

Unser Veranstaltungshinweis:

Gegen die ‚ostentative Ahnungslosigkeit‘: Ein neues Kunstwerk zum christlich-jüdischen Verhältnis für den Kölner Dom

„Der Kölner Dom soll … um ein Werk bereichert werden, das die Frage zum Ausgangspunkt nimmt, wie sich das christlich-jüdische Verhältnis zeitgemäß und für die Zukunft inspirierend darstellen lässt…“ Mit diesem Ziel lobte das Kölner Domkapitel 2023 den „Internationalen Kunstwettbewerb Kölner Dom“ aus. Inwiefern löst der Anfang April präsentierte Siegerentwurf diesen selbst formulierten Anspruch ein und welche Wirkungen sind von seiner Rezeption zu erwarten? Diese Frage wird an diesem Abend mit Vertreter:innen der Wettbewerbs-Jury aus jüdisch-christlich theologischer, künstlerischer und kuratorischer Perspektive eingeordnet und diskutiert. Dem Einladungswettbewerb, an dem sich 15 international renommierte Künstler:innen beteiligten, vorausgegangen war ein langjähriger Gesprächsprozess, bei dem sich das Kölner Domkapitel auf Initiative der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der Frage nach einem angemessenen Umgang mit den zahlreichen antijüdischen Artefakten im Kölner Dom auseinandergesetzt hat. Noch wenige Jahre nach der Shoa wurde für den Kölner Dom das sogenannte Kinderfenster geschaffen, das von einer „ostentativen Ahnungslosigkeit“ (B. Wacker) gegenüber der antisemitischen Vergiftung christlicher Bildkunst zeugt und sie auf erschreckende Weise reproduziert.

Di, 29.04. 19-21.30 (3 UStd)

Dieser Kurs kostet 8,00€.
Zahlung an der Tages-/Abendkasse.
Nr. 1041B

Domforum, Domkloster 3

Die Teilnahmegebühren in Höhe von 8,00 € zahlen Sie bitte an der Tages- / Abendkasse. Anmeldung erforderlich.